Am 22. Juni erhielt Generalleutnant von Schlieben eine persönlich an ihn gerichtete Nachricht vom Führerhauptquartier, in der Hitler folgendes mitteilte:

„Selbst wenn es zum Äußersten kommen sollte, ist es Ihre Pflicht, sich bis zum letzten Bunker zu verteidigen und dem Feind keinen Hafen, sondern ein Ruinenfeld zu überlassen. Das deutsche Volk und die ganze Welt blicken auf diesen Kampf, von ihm hängt die Führung und das Ergebnis der Operationen zur Eliminierung der Brücken­köpfe ab sowie die Ehre der Deutschen Streitkräfte wie auch die Ehre Ihres eigenen Namens.“

Von Schlieben antwortete darauf an Generalfeldmarschall Rommel, dass seine Truppen psychisch und physisch am Ende waren, dass die deutsche Garnison von Cherbourg überdurchschnittlich alt, darüber hinaus auch noch schlecht ausge­bil­det war und an „Bunker-Lähmung“ litt, d. h. außerhalb ihrer Bunker nicht kämpfen wollte. Außerdem würden die nun führungslosen Reste der 77. und 243. ID eher eine Bürde als Hilfe sein, Verstärkungen wären aber absolut notwendig, um dem Feind die baldige Eroberung Cherbourgs zu ver­wehren.

Am Morgen des 23. Juni übernahm von Schlieben neben dem Kommando über die an der Landfront Cherbourg stehenden Verbände auch den Befehl über die Garnisonstruppen der Festung Cherbourg. Deren bisheriger Kommandeur, Generalmajor Robert Sattler, wurde zu von Schliebens Stellvertreter ernannt. Im Hinblick auf zusätzliche Verstärkungen wurde von der 7. Armee der Trans­port des bei St. Malo liegenden Fall­schirmjäger-Regimentes 15 auf dem Seewege in Erwägung gezogen. Als aber von Schlieben meldete, dass die Zerstörungen im Hafen von Cherbourg schon zu weit fortgeschritten waren, um dort noch Schiffe entladen zu können, wurde kurzzeitig ein Transport der Fallschirmjäger auf dem Luftwege in Erwägung gezogen. Hierfür waren jedoch nicht genügend Transportflugzeuge vorhanden, sodass die in und um Cherbourg eingeschlossenen Trup­pen weiter auf sich allein gestellt blieben.

Trotz weiterhin heftigen deutschen Widerstandes konnte das US VII Corps am 23. Juni insbesondere im Zentrum und an der Westflanke, jedoch auch zum Teil an seiner Ostflanke erhebliche Gelände­gewinne erzielen.

An der Ostflanke (4th ID) kam insbesondere das 12th IR gut voran. In der Nacht hatte ein Spähtrupp eine Route durch den Bois du Coudray ausgekund­schaftet, auf der nun auch leichte Panzer vom Typ M5 Stuart durch das dichte Waldgebiet zur vordersten Kampflinie aufschließen konnten. Obwohl es sich bei den M5 Stuart Tanks nur um leicht gepanzerte Aufklä­rungspanzer handelte, waren sie für die deutschen Verteidiger, die über so gut wie keine Panzervernichtungsmittel verfügten, kaum auszu­schalten. Mit Unterstützung der Panzer machte insbesondere das 3rd Bn, 12th IR, entlang der Straße Tourlaville – Hameau Gallis (heutige D63) gute Fortschritte in nordwestlicher Richtung. Erst nachdem das 3rd Bn auf Höhe der Kreuzung D122/D63 auf starken Widerstand stieß, grub sich die Voraus­abteilung des 12th IR kurz vor Erreichen seines Tagesziels, der Höhe 140 bei Beaurepaire, südlich der stark verteidigten Kreuzung ein. Das 8th IR nahm seinen am Vortage nach hohen Verlus­ten einge­stell­ten Vorstoß auf den Höhenzug östlich von la Glacerie um 08:30 erneut auf, arbeitete sich bis gegen 14:00 mit Panzerunterstützung rund 1 km nach Nordwesten vor und stieß dann auf Höhe eines deutschen Widerstandsnestes auf den Gegner, der gerade im Begriff war, sich entlang einer Hecke zum Gegen­angriff zu formieren. Die Amerikaner umgingen unbemerkt die Hecke und griffen die dahinter in mehreren Gräben sprung­bereit liegen­de deutsche Infanterie aus ihrer östlichen Flanke an. Nur wenige Landser konn­ten dem vernichtenden Flankenfeuer der MGs und Panzergeschütze entkommen. Am rechten Flügel der 4th ID war das 22nd IR den ganzen Tag damit beschäftigt, deutsche Truppen, die in seinem Rücken bei Hameau Cauchon infiltriert waren, zu bekämpfen. Ein weiterer Vorstoß über Höhe 158 hinaus in westlicher Richtung entlang der D901 begann daher erst gegen 19:30. Dieser Angriff blieb jedoch kurz nach Beginn im starken Abwehrfeuer, das aus dem Raum südöstlich von Digosville stammte, liegen.

Im Zentrum der Angriffsfront (79th ID) fanden sich am Morgen des 23. Juni die 1st und 3rd Battalions, 314th IR, von ihren rückwärtigen Versorgungseinheiten abgeschnitten, dasselbe wider­fuhr den weiter östlich bei der Kreuzung 177 liegenden 1st und 3rd Battalions, 313rd IR. Deutsche Truppen waren während der Nacht in den rückwärtigen Raum der vier den Vorstoß anführenden US-Bataillone infiltriert und drohten, die Verbin­dungs- und Nachschubwege zu unterbrechen. Diese Gefahr musste durch den Einsatz einer Taskforce im Laufe des Vormittages zunächst einmal gebannt werden, während zeitgleich das 314th IR den weiteren Vorstoß auf den stark verteidigten deutschen Stützpunkt bei Mare à Canards vorberei­tete.

Zur Vorbereitung des Angriffes auf Mare à Canards griffen um 09:00 US-Bomber der 9th USAAF den Stützpunkt an, das Bombar­dement zeigte jedoch keinerlei Wirkung auf die deutschen Verteidiger. Während ein zweiter Fliegerangriff noch geplant wurde, ging das 3rd Bn, 314th IR, bereits zum Angriff über und konnte  einen Teil des Stützpunktes erobern. Umgehend wurde die USAAF verständigt, die den zweiten geplanten Bomben­angriff abbrechen sollte. Diese Information erreichte die bereits auf das Ziel anfliegenden Bom­ber jedoch nicht mehr. In letzter Minute befahl daher der Chef des Stabes der 79th ID der eigenen Artillerie, die als Zielmarkierung für die Bomber zu verschießenden Rauchgra­naten 800 m weiter nördlich als vorgesehen verschie­ßen zu lassen, sodass die Mehrzahl der Bombenlast tatsächlich nördlich von Mare à Canards abgeworfen wurde. Verluste durch „friendly fire“ blieben daher gering. Jedoch wurde das 3rd Bn, 314th IR, noch während des Fliegerangriffes von deut­scher Artillerie unter Beschuss genommen, hatte hohe Verluste zu verzeich­nen und grub sich ein. Um nicht ebenfalls vor Mare à Canards festgenagelt zu werden, umging die A Company, 1st Bn, 314th IR, den Stützpunkt und drang einige hundert Meter bis auf Höhe von la Loge vor. Da Mare à Canards nur umgangen aber nicht eingenommen worden war, sollte der Stützpunkt am Morgen des 24. Juni durch ein weiteres Luft­bom­bardement sturmreif geschossen werden.

Am linken Flügel (9th ID) griff am 23. Juni auch das 39th IR in die Kämpfe ein und brach mit Hilfe meh­re­rer M10 Wolverine Jagdpanzer den deutschen Widerstand auf dem nordwestlich von Baudienville gelegenen Höhenzug. Das 47th IR setzte seinen Angriff auf Höhe 171 fort und attackierte zeitgleich eine schwere Flakstellung bei les Monts (Höhe 98) süd-westlich von Höhe 171. Bis zum Abend gelang es den Amerikanern die Höhe 171 einzunehmen, hierbei wurden über 400 Gefangene gemacht. Gleichzeitig stand das 47th IR nun auch unmittelbar vor der Einnahme der deutschen Flakstellung bei les Monts. Das 60th IR wartete dagegen beinahe den ganzen Tag darauf, dass die USAAF einen Angriff auf die Stellungen um Flot­temanville-Hague fliegen würde. Dieses Bombarde­ment erfolgte jedoch erst um 20:00. Nach einem darauffolgenden Artillerieschlag aus Dutzenden amerikanischer Geschütze griffen die 1st und 2nd Bn, 60th IR, die deutschen Stellungen auf der Höhe 180 nörd­lich von la Pasquerie an und konnten die Gegenwehr der nun vom andauernden Bombardement zermürbten Verteidiger gegen 22:00 brechen und die Stellungen besetzen.

Mit dem Durchbruch bei Flotteman­ville-Hague war es an der Westflanke gelungen, den Verteidigungsring um Cherbourg, die Landfront Cherbourg, zu durch­stoßen. Die 9th ID war nun bereit, den Vorstoß in die Stadt Cherbourg hinein­zutragen. Hierzu sollte das 60th IR Flanken­schutz nach Norden gegen potentielle deutsche Gegen­angriffe geben, während die 47th und 39th IR in die Stadt und auf das Hafenviertel Cherbourgs vorstoßen sollten.

Die 4th, 79th und 9th IDs am 23. Juni 1944
Die 4th, 79th und 9th IDs am 23. Juni 1944

Am 23. Juni gelang es allen drei Divisionen, erhebliche Geländefortschritte zu erzielen. An der Ostflanke und im Zentrum der Angriffsfront drangen deutsche Einheiten in den Rücken der schnell vorstoßenden US-Verbände und mussten erst in zähen Kämpfen zerschlagen werden, bevor der Vorstoß fortgesetzt werden konnte. Im Westen gelang es dagegen der 9th ID die Landfront Cherbourg bei Flottemanville-Hague bereits am 23. Juni zu durchstoßen.

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