Neben den oben geschilderten Kämpfen kam es am 25. Juni zu zwei weiteren bemerkenswerten Ereignissen.

Major General Collins hatte mit der US-Air Force vereinbart, in der Nacht zum 25. Juni Propagandaflugblätter mit folgendem Inhalt über den deutschen Stellungen abzuwerfen: „Denjenigen von Euch, die sich ergeben, wird nichts geschehen. Legt Eure Waffen nieder. Kommt heraus mit dem Flugblatt in der Hand oder zeigt ein anderes weißes Signal!“. Im Morgengrauen näherte sich ein deutscher Offizier, der Adjutant des Marinehospitals in Cherbourg war, begleitet von einem gefangenen US-Offizier, den vorgeschobenen Linien der 9th ID und bat darum, das Hospital möglichst zu verschonen und Blutplasma für die dort behandelten 150 Amerikaner zu senden. Dem Deutschen wurden das gewünschte Blut­plasma sowie eine Mitteilung an Generalleutnant von Schlieben ausgehändigt, die die deutsche Kapitulation forderte. Jedoch erfolgte von Generalleutnant von Schlieben keine Reaktion auf diese Kapitulationsforderung.

Bereits am Mittag des 23. Juni hatte Major General Collins von der US- und Royal Navy Unterstützung für den am nächsten Tag geplanten endgültigen Angriff des VII Corps auf Cherbourg ange­fordert. Rear Admiral Morton Deyo meldete umgehend zurück, dass ein Teil seiner Flotte im Hafen von Portland (Südküste Englands) lag und daher nicht schnell genug einsatzbereit war, eine Unterstützung von See war demnach frühestens am 25. Juni möglich. Ziel war es, rund 30 deutsche Stellungen und Artilleriebatterien, die für die vorrückende US-Infanterie gefährlich werden konnten, von See aus zu beschießen, und wenn möglich auszuschalten.

Zu diesem Zweck wurde die so genannte „bombarding force CTF 129“ aufgestellt, die aufgeteilt in zwei Gruppen unter dem Oberkommando von Rear-Admiral Morton Deyo von Portland aus am 25. Juni gegen 04:30 morgens in See stach.

Gruppe 1 unter Rear Admiral Deyo umfasste den schweren Kreuzer USS Tuscaloosa, den Kreuzer USS Quincy, das Schlachtschiff USS Nevada, die leichten britischen Kreuzer HMS Glasgow und HMS Enterprise, sechs Zerstörer sowie die 9th British Minesweeping Flotilla. Deyos Gruppe sollte Ziele im Stadtgebiet Cherbourgs, im Hafengebiet sowie westlich von Cherbourg bekämpfen.

Gruppe 2 unter Rear Admiral Samuel W. Bryant bestand aus den Schlachtschiffen USS Texas und USS Arkansas, fünf Zerstörern sowie aus der U.S. Mine Squadron 7. Gruppe 2 sollte die östlich von Cherbourg bei Fermanville gelegene Marine-Küsten-Batterie "Hamburg“ (Stützpunkt Stp-234, 3./Marine-Artillerie-Abteilung 260, 4 x 24 cm S.K. L/40 Kanonen) ausschalten, die als die stärkste Batterie an der Nordküste des Cotentin galt.

Das Feuer der Kriegsschiffe sollte während des Angriffes durch neun sogenannte „shore fire control parties“ je angreifender US-Infantry Division gelenkt werden, d. h. durch insgesamt 27 vorgeschobene Beobachter an Land, die von ihren vorgeschobenen Positionen aus das Feuer der Schiffsartillerie ins Ziel lenken sollten. Außerdem befanden sich zahlreiche Feuerleitflugzeuge in der Luft, die den Erfolg des Bombardements an die Kriegsschiffe rückmelden sollten.

Ab 09:40 näherten sich die Kriegsschiffe in den von den vorauslaufenden Minensuchern geräumten Passagen mit fünf Knoten Fahrt der Küste. Kurz vor 10:00 erhielt Rear Admiral Deyo einen Funkspruch von Major General Collins, nach dem die Flotte von dem vereinbarten Fernbeschuss auf mehrere identifizierte Küstenbatterien absehen sollte, da US-Truppen in der Zwischenzeit so nahe an diese Batterien herangerückt waren, dass die Gefahr bestand, auf eigene Truppen zu feuern. Laut Collins sollte die Flotte nun nur auf Anforderung des US VII Corps das Feuer auf bestimmte Ziele eröffnen. Der darüber recht enttäuschte Deyo fragte nun an, ob seine Schiffe nicht wenigstens auf fünf erkannte Küstenbatterien feuern könnten. Dies lehnte Collins jedoch ab. Schließlich einigte man sich darauf, dass „bombarding force CTF 129“ auf die M.K.B. Hamburg sowie auf zwei weitere Batterien das Feuer eröffnen sollte und darüber hinaus jegliches Feuer anderer deutscher Batterien erwidern sollte.

Gegen 12:00 eröffnete eine deutsche Batterie in der Gegend von Querqueville (vermutlich die 2./Marine-Artillerie-Abteilung 260; Stützpunkt Stp-277 „Yorck“, Amfreville, 4 x 17 cm S.K. L 40) das Feuer auf die dem Kampfverband vorauslaufenden Minenräumer. Während die Begleitzerstörer die Minen­räumboote in Rauch einhüllten, erwiderten HMS Glasgow und HMS Enterprise das Feuer. Es folgte ein 2 ½ stündiger Feuerwechsel an dessen Ende HMS Glasgow zweimal getroffen wurde und die deutsche Batterie nach schweren Treffern gegen 12:40 vorübergehend das Feuer einstellte. In der Zwischenzeit hatte auch eine deutsche Batterie in der Nähe der Ortschaft Gruchy (vermutlich die 4./M.A.A. 260; MKB „Landemer“, 4 x 15 cm S.K. C/28) das Feuer eröffnet, das von HMS Glasgow kurz nach 13:00 erwidert wurde. Nachdem HMS Glasgow 54 Granaten abgefeuert hatte, schwieg die deutsche Batterie. Kurz nach 12:00 eröffneten die USS Nevada, USS Tuscaloosa und USS Quincy auf Anforderung das Feuer auf mehrere deutsche Stellungen im Hinterland der Küste, die innerhalb kürzester Zeit durch die Wucht der großkalibrigen Geschosse pulverisiert wurden.

Gegen 13:30 eröffnete die deutsche Batterie bei Querqueville erneut das Feuer und wurde umgehend von USS Tuscaloosa und USS Quincy und gegen 14:45 auch noch von USS Nevada beschossen. Die US-Kriegsschiffe erzielten erneut mehrere Treffer, ohne jedoch das letzte noch feuernde 17 cm Geschütz der deutschen Batterie ausschalten zu können. Während die schweren Schiffseinheiten sich mit den deutschen Küstenbatterien duellierten bzw. Stellungen im Inland beschossen wurden andere Ziele durch die Zerstörer angegriffen, so z. B. das an der östlichen inneren Hafenmole des Hafens von Cherbourg gelegene Fort des Flamands, das mit seinen acht 8,8 cm Flakgeschützen das 12th IR, 4th ID, am Vordringen in die östlichen Stadtteile Cherbourgs hinderte. Die Gefechte zwischen Rear Admiral Deyos Group 1 und den deutschen Küsten­batterien westlich von Cherbourg zogen sich bis gegen 15:25 hin, erst dann gab Deyo seinen Schiffen den Befehl zum Rückzug, ohne dass die deutschen Batterien vollständig ausgeschaltet waren.

Östlich von Cherbourg stand Group 2 unter Rear Admiral Samuel W. Bryant, der den Auftrag hatte, die M.K.B. Hamburg vollends auszuschalten, nachdem diese durch die USS Nevada, dem stärksten Kriegsschiff vor Cher­bourg und Flaggschiff von Admiral Deyos Group 1, bereits unter Feuer genommen worden war. Da die Nevada wie oben beschrieben jedoch im Gefecht mit den deutschen Batterien westlich von Cherbourg stand, mussten die USS Arkansas und die USS Texas, zwei Veteranen aus dem 1. Weltkrieg, es alleine mit der stark bewaffneten M.K.B. Hamburg aufnehmen. Um 12:08 eröffnete die USS Arkansas auf Anforderung ihres Feuerleitoffiziers an Land das Feuer auf die M.K.B. Hamburg, ohne jedoch Treffer zu erzielen. USS Texas konnte keinen Kontakt zu ihren Feuerleitoffizieren an Land herstellen und konnte sich daher zunächst nicht am Beschuss der M.K.B. Hamburg beteiligen, die nun, nachdem Gruppe 2 in den seitlichen Feuerbereich der deutschen Batterie hineingelaufen war, das Feuer erwiderte. Drei Zer­störer wurden von Blindgängern getroffen, die entstandenen Schäden waren jedoch nicht gravierend, keines der Schiffe sank.

Nun griffen auf Seiten der Alliierten auch die USS Texas und sämtliche Begleitzerstörer ein, auf deutscher Seite beteiligte sich eine in der Nähe der M.K.B. Hamburg positionierte und bis dahin nicht identifizierte 10,5 cm Batterie des Heeres ebenfalls am Gefecht. Diese Batterie erzielte mehrere Beinahetreffer auf der USS Texas, die darauf zu wilden Ausweichmanövern gezwungen wurde. Um 13:35 erzielte die USS Texas einen Volltreffer in einer der vier Kasematten der M.K.B. Hamburg, die drei verbliebenen 24 cm Geschütze feuerten jedoch ohne Unterbrechung weiter, bis Rear Admiral Bryant um 15:01 das Feuergefecht abbrach und sein Geschwader aus der Kampfzone herausführte.

So endete ein mehrstündiges See-Landgefecht, in dem mehrere deutsche Küstenbatterien zum Teil schwer beschädigt und in der Folge davon abgehalten wurden, ihre Geschütze nach Süden in Richtung auf die anmarschierende US-Infanterie auszurichten. Zahlreiche Stellungen im Hinterland Cherbourgs waren unter der Wucht der großkalibrigen Granaten zerstört worden. Die zuvor durch diese Befestigungswerke auf ihrem Vormarsch gestoppte US-Infanterie konnte nun den Vorstoß in das innere Stadtgebiet von Cherbourg fortsetzen. Die deutsche Seite verzeichnete dagegen nur einige leichte Treffer auf den Begleitzerstörern als Erfolg, keines der teilnehmenden Kriegsschiffe war schwer getroffen oder gar versenkt worden. Dieser Misserfolg der deutschen Batterien stellte einmal mehr die Sinnhaftigkeit des Atlantikwalls und der dort installierten Küstenbatterien in Frage.

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