Am Morgen des 25. Juni funkte Generalleutnant von Schlieben an Generalfeldmarschall Rommel:

„Feindliche Überlegenheit und Luftherrschaft überwältigend. Mehrzahl eigener Batterien verschossen oder zer­schlagen. Truppe stark abgekämpft und mit Meer im Rücken auf engstem Raum zusammen­gedrängt. Hafen und alle wichtigen sonstigen Anlagen wirksam zerstört. Verlust der Stadt in Kürze unausbleib­lich, da Feind bereits in Peripherie eingedrungen. Der baldige Verlust von Cherbourg ist nicht zu verme­iden. 2.000 Verwundete ohne Abtransportmöglichkeit. Ist die angesichts des Fehlens wirksa­mer Gegenmaßnahmen zu erwartende Zerschlagung der eigenen Restgruppen aufgrund der Gesamt­lage noch notwendig? Weisung dringend!“

Nachdem das Bombardement von See begonnen hatte, mel­dete von Schlieben:

„Zusätzlich zu der ohnehin schon großen Überlegenheit des Gegners bei Material und Artillerie, Luftstreitkräften und Panzern hat nun auch schweres Feuer von See eingesetzt, das durch Feuer­leitflugzeuge gelenkt wird. Es ist mein Pflicht darauf hinzuweisen, dass weitere Opfer sinnlos sind und an der Gesamtsituation nichts ändern können!“. Rommel antwortete daraufhin knapp aber bestimmt: „Sie haben gemäß Führerbefehl den Kampf bis zur letzten Patrone zu führen!“

Im Morgengrauen des 26. Juni ging das 2nd Bn, 314th IR, daran, auch das untere Stockwerk des Fort du Roule einzunehmen oder zumindest das Feuer der vier 10,5 cm Geschütze zu unterbinden, die weiterhin auf die in den südöstlichen Stadtteilen Cherbourgs in Richtung Hafen vorrückenden Einheiten der 79th ID schossen. Hierzu wurden vom oberen Stockwerk des Forts TNT Sprengladungen sowohl in die Ventilationsschächte als auch vor die Geschützpforten der vier Kasematten an Seilen herabgelassen und gesprengt. Ein Sprengkommando (Demolition Team) unter Staff Sergeant Paul A. Horst, E Company, 314th IR, bahnte sich einen Weg entlang der steil abfallenden Nordwand der Montagne du Roule, in die die vier Geschützkasematten eingebettet waren, und zerstörte eine Geschützpforte mit Hilfe von aus Bazookas abgefeuerten Raketen und an Stangen befestigten TNT Sprengladungen (pole charge). Gleichzeitig feuerten vom Stadtgebiet aus US-Artillerie und Jagdpanzer vom Typ M10 Wolverine in die ungeschützten Öffnungen der Geschützkasematten. Am frühen Abend war es dann soweit, die verbliebenen deutschen Verteidiger waren mürbe geschossen und ergaben sich, mehrere hundert Landser gingen mit erhobenen Händen in Gefangenschaft.

In der Zwischenzeit hatten sich die 313th und 314th IR der 79th ID, die für die Eroberung des Stadtgebietes östlich des Flusses Divette, d. h. östlich des Bahnhofs, verantwortlich waren, in zähem Häuserkämpfen bis zum Strand und die Hafenmolen vorgearbeitet. Der Widerstand der letzten deutschen Bunkerbesatzungen im Hafengebiet wurde in diesem Sektor mit Unterstützung von M 10 Wolverine Jagdpanzern gebrochen, hunderte von Deutschen ergaben sich im Laufe des Nachmittages und des Abends im Bereich der 79th ID. Weiter südöstlich hatte das dritte Regiment der 79th ID, das 315th IR, im Laufe des 26. Juni nun auch den deutschen Widerstand im Raum Martinvast gebrochen, allein dort ergaben sich über 2.000 Landser.

Während die Einheiten der 79th ID in den östlichen Stadtteilen Cherbourgs rasch vordrangen, stießen die 47th und 39th IR der 9th ID in den westlichen Stadtteilen bzw. in Octeville auf gut organisierten und entschiedenen Widerstand. Insbesondere zahlreiche auf Hausdächern postierte 2 cm Flakgeschütze bereiteten den US-Truppen große Probleme und konnten häufig erst nach dem Einsatz von Artillerie und Jagdpanzern ausgeschaltet werden. In zähem und verlustreichem Häuserkampf arbeiteten sich die Männer des 47th IR in den nordwestlichen Stadtteilen Cherbourgs bis zum Mittag bis zum Marine Hospital vor und befreiten dort 150 Amerikaner, die sich unter den insgesamt 2.500 Verwundeten befanden. Im Laufe des Nachmittages stießen die ersten Einheiten des 1st Bn, 47th IR, bis zur Rue Gambetta vor und wurden dort von heftigem Abwehrfeuer, das aus dem Marine-Arsenal, dem letzten Bollwerk im Stadtgebiet Cherbourgs, herüberdrang, aufgehalten. Da erst bei Einbruch der Dunkelheit auch das 3rd Bn vor Ort eingetroffen war, wurde entschieden, den Angriff auf das Marine-Arsenal auf den Vormittag des 27. Juni zu verschieben.

Das Marine-Arsenal Cherbourg, eine aus napoleonischer Zeit stammende Marinewerft mit drei großen Hafenbecken und zahlreichen Gebäuden und Werftanlagen umfasste eine Fläche von 33 Hektar und war durch meterdicke und meterhohe Festungswälle geschützt, auf denen sich zahlreiche MG-Bunker und 2 cm Flakgeschütze befanden. Das Arsenal diente Generalmajor Robert Sattler, dem ehemaligen Festungskommandanten Cherbourgs, als Hauptquartier. Sattler war nun nach der Ernennung Generalleutnant von Schliebens zum Festungskommandanten Cherbourgs zu dessen Stellvertreter ernannt worden. Statt noch in der Nacht anzugreifen, versuchten sich die Amerikaner auf psychologische Kriegsführung. Mehrere Lautsprecherwagen forderten in der Nacht Generalmajor Sattler dazu auf, die Waffen niederzulegen. Insbesondere erhoffte sich General Major Eddy, Kommandeur der 9th ID, dass die Nachricht von der Kapitulation Generalleutnant von Schliebens am Nachmittag des 26. Juni Generalmajor Sattler zum Einlenken bewegen würde. Sattler zeigte sich jedoch von dieser Nachricht unbeeindruckt und lehnte eine Kapitulation ab.

zurück                                                               -40-                                                                        weiter